04.01.2012

Agentur LUX - Lausitzers Leidenschaft

Leseprobe

AGENTUR LUX stand auf dem unscheinbaren Schild. Die Büros in der dritten Etage waren modern und funktional eingerichtet. »Unser Vorstandsvorsitzender«, sagte Scheffler und lehnte sich in dem Freischwinger zurück, »kennt Ihren Vater sehr gut, Herr Lux!«
Ferry Lux war nicht anzusehen, ob ihn das freute oder nicht. Rosa, gelernte Taschendiebin und seit kurzem freiberuflich bei der Agentur, brachte Kaffee und Mineralwasser. Schefflers Blick blieb an ihrem fuchsrotem Haar hängen. Rosa ließ die Tür auf zum Sekretariat auf, als sie hinausging.
»Um zum Thema zu kommen«, sagte Scheffler. »Wir, das heißt die Amelung AG, haben ein Problem.«


Das Problem hieß Max Lausitzer, war 31 Jahre alt und vor einem halben Jahr von Scheffler als Verkaufschef bei der Amelung AG eingestellt worden. »Amelung stellt Autoradios her und hatte bisher stets gute Umsatzzahlen«, sagte Ferry Lux, als er die Unterlagen des neuen Falles auf dem Tisch ausbreitete. Rosa musterte das Foto eines durchschnittlichen 31ers mit beginnender Stirnglatze und Designerbrille. Winnie, Gründungspartner des Agentur Lux und verantwortlich für alles, was mit Computern zusammenhing, löste das Gummiband seines Pferdeschwanzes. »Wow!«, sagte Rosa angesichts der Haarfülle, die ihm auf die Schultern fiel.
»Seit Lausitzer die Verkaufsabteilung leitet, gehen die Umsätze rapide zurück«, fuhr Ferry fort. »Aufträge fallen an die Konkurrenz, weil Amelung unterboten wird, bestehende Aufträge werden nicht verlängert. Man vermutet, dass Lausitzer der Grund dafür ist. Entweder er ist ein U-Boot der Konkurrenz oder er betrügt seinen Arbeitgeber.«
»Toller Job«, seufzte Rosa.
»Dein Job!«, sagte Ferry.


Rosa tippte jetzt schon zum vierten Mal denselben Brief ins Textsystem der Amelung AG. Ihre vorhergegangen Versuche waren kommentarlos abgestürzt, und sie wünschte sich nur einen Fingerhut von Winnies Computerverstand, um dem Rechner zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Am Schreibtisch gegenüber in Lausitzers Vorzimmer telefonierte Lydia Merker. Offiziell war Rosa ihr als Aushilfe von der Personalabteilung zugeteilt worden. Inoffiziell hielt sie die Augen auf.
Lausitzer kam aus seinem Büro. Lydia legte auf. Die Temperatur im Raum schien um einige Grade zu fallen. »Das Angebot für die Vectra!« Lausitzer legte Lydia einen Bogen hin. »Faxt du es sofort raus?«
Lausitzer verschwand wieder in seinem Büro. Der Auftrag der Vectra AG, soviel hatte Rosa inzwischen mitbekommen, war runde vier Millionen Euro schwer. Der Autobauer wollte sein neues Modell serienmäßig mit Autoradios ausstatten. Auch Merkur, die Konkurrenz der Amelung AG war hinter dem Auftrag her.


»Büroklatsch ist doch was Feines«, sagte Rosa. »Lydia und Lausitzer hatten ein kurzes Verhältnis. Dann hat Lausitzer sie abgeschossen, weil er eine andere kennengelernt hat.«
Sie saßen in einem Café vor dem Werkstor der Amelung AG und behielten die Angestellten bei der Feierabend-Rallye im Auge. »Hast du auch wichtige Erkenntnisse?«, fragte Winnie.
»Das Angebot an Vectra«, sagte Rosa. »Ich habe die Log-Datei am Fax kontrolliert. Es ist zweimal rausgegangen. Einmal um 15.43 Uhr an die Vectra und um 16.01 an die Merkur. Wenn Merkur das Angebot von Amelung kennt, können sie es problemlos unterbieten.«
»Das Fax steht in eurem Büro?«
Rosa nickte. »Statt Türschlössern haben wir Code-Karten. Außer Lydia, Lausitzer und mir kommt niemand in die Räume.«
»Codekarten!« Winnies Augen leuchten. »Dann hängt die Schließanlage am Zeiterfassungssystem und wird über den Zentralrechner verwaltet.«
»Mal was anderes«, sagte Rosa. »Was ist das eigentlich mit Ferrys Vater, den der Vorstand von Amelung angeblich kennt?«
»Ferrys Vater?« Winnie wurde schweigsam. Doch dann sagte er. »Karl-Moritz Baron von Lux. Privatbankier, Investor. Millionen über Millionen.«
»Und warum muss sich Ferry dann mit dieser seltsamen Agentur durchbringen?«
»Weil er es so will«, sagte Winnie. »Deswegen.«


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